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Grüne Geometrische Formen
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Gesellschaften waren und sind historisch betrachtet immer im Wandel. Die Symptome oder Folgen des Wandels sind den Menschen jedoch mal mehr und mal weniger bewusst, und führen mal mehr und mal weniger zu Spannungen, Unbehagen oder Konflikten. Auch aktuell leben wir – wieder einmal – in Zeiten zunehmender sozialer wie ökonomischer Unsicherheit und Spaltung, in Zeiten zunehmender politischer Polarisierung und laut sowie teils gewaltsam ausgetragener generationaler, politischer oder identitärer Konflikte.

Konflikte sind zwar keineswegs gefährlich oder schädlich für die Demokratie – im Gegenteil. Doch damit Konflikte produktiv werden können, braucht es Regeln und das Verbleiben in einer Wahrnehmung und Logik, nach der das Gegenüber vielleicht politischer Gegner, ökonomischer Konkurrent oder fachlicher Gegenpol, nicht aber ein zu bekämpfender und letztlich zu vernichtender Feind ist. Doch diese humanistische Grundannahme, die demokratische Erzählung und ihre Regeln verlieren immer mehr ihre integrale Kraft. Die Erzählung von gesellschaftlicher Partizipation, gemeinsamen Interessen und einer gemeinsamen Zukunftsvision bekommt Risse in dem Maße, in dem viele feststellen oder glauben, dass sie unaufrichtig ist.

Machtkämpfe um gesellschaftliche Zugänge, Ressourcen oder Normen, um vermeintliche oder reale Wahrheiten und um die Frage, ob und wie sich das eigene Leben bzw. der eigene Lebensentwurf angesichts verschiedener Herausforderungen verändern sollte oder muss finden dabei schon längst in einer hybriden Lebenswelt statt, in der Diskurse überwiegend im Digitalen verortet sind. Es ist wahrzunehmen, dass diese eine hohe polarisierende und destruktive Kraft haben – die digitale Welt wird nicht umsonst von manchen als „Radikalisierungsmaschine“ bezeichnet.

Digitale Räume sind aufgrund ihrer dem engagement und letztlich dem Markt verpflichteten Algorithmen ideale Orte für komplexitätsreduzierende und hochgradig emotionalisierende Inhalte etwa von Verschwörungsideologien, von antisemitischem und rassistischem „Wissen“, für Frauenhass, Sozialdarwinismus und also schlicht binärem Freund-Feind- oder Schwarz-Weiß-Denken. Weltpolitik landet quasi in Echtzeit live auf dem Handy, authentische, vermeintlich ungefilterte Bilder suggerieren grade durch fehlende Kontextualisierung einen besondere Wahrheitsanspruch.

Diese Inhalte sind gerade für junge Menschen in ihrer Orientierungsphase attraktiv, bedienen Sehgewohnheiten und Geschmäcker und bieten mit ihren direkten, klaren und einfachen Aussagen Orientierung. Ausgewählt werden kann dabei zwischen verschiedenen Ansprachen und inhaltlichen Schwerpunktsetzungen, Abstammung oder nationale Identität, Ethnie, Religion und Religiosität, Geschlecht und Geschlechterrollen oder politische Identitäten können thematisiert werden oder gar im alleinigen Fokus stehen. Einzelne Influencer*innen, einzelne Kanäle können ein Millionenpublikum erreichen, Jugendliche und junge Erwachsene können in ihrem meist breiten Mischkonsum teils extremistische Inhalte nur streifen, teils in ihnen „versinken“.

Aus unserer eigenen professionellen und persönlichen Erfahrung wissen wir, vor welcher schweren Herausforderung Eltern und pädagogische Fachkräfte angesichts dessen stehen. Gleichzeitig sind wir aber nicht nur davon überzeugt, dass Handlungsbedarf besteht, sondern dass es auch Möglichkeiten des Handelns gibt. Die Vortragsreihe will sich den Herausforderungen in verschiedenen Impuls- und Diskussionsvorträgen annähern und neben einer aktuellen Bestandsaufnahme relevanter extremistischer Diskurse und Radikalisierungsdynamiken auch Möglichkeiten der Diskussion über einen präventiven und intervenierenden Umgang geben.

 

Mittwoch  I  08. Mai 2024  I  18.30 – 20.15 Uhr

Die digitale Lebenswelt als Motor der Radikalisierung
Angebote für Jugendliche und junge Erwachsene auf social media – eine Einführung in die extremistische Landschaft von Peripherie bis hardcore mit einem Fokus auf islamistische Akteure

 

Junge Menschen verbringen mittlerweile den Großteil ihrer Freizeit online, beim gaming oder auf social media. Für Eltern oder Pädagog*innen ist es dabei oft schwierig nachzuvollziehen, welche Inhalte ihnen dort begegnen und mit welchen Ideologien sie in Berührung kommen. Dabei sind gerade extremistische und demokratiefeindliche Akteure aller Couleur in der digitalen Welt stark präsent und nutzen die Plattformen, um ihre Deutungsangebote zu platzieren und follower oder Unterstützer zu rekrutieren.

Häufig werden heiße Themen wie Klima, Kriminalität, Migration, Religion, Sexualität und gender aufgegriffen, die Form an Sehgewohnheiten und Sprache der Zielgruppe angepasst und deren Identitätsfragen und Gefühle angesprochen.

Um die Erfahrungen der Jugendlichen in ihrer hybriden Lebenswelt besser nachvollziehen zu können, werden wir in dieser Fortbildung populäre extremistische social media-Akteure und ihre Narrative vorstellen. Ein besonderes Schlaglicht wird dabei auf das heterogene islamistische Milieu sowie auf Brückennarrative geworfen, welche unterschiedliche extremistische Narrative verbinden. Mögliche pädagogische Handlungsstrategien sollen abschließend gemeinsam diskutiert werden.

 

Mittwoch  I  29. Mai 2024  I  18.30 – 20.15 Uhr

Antisemitismus – zur anhaltenden Konjunktur einer globalisierten Weltanschauung
Einführung in Formen, Inhalte und digitale Verbreitung antisemitischen „Wissens“

Antisemitisches „Wissen“ bietet die einfache Erklärung ökonomischer und politischer Krisen und Konflikte – und stellt aufgrund seiner offensichtlichen Attraktivität und anhaltenden Konjunktur eine dauerhafte Herausforderung der Gesellschaft dar. Nicht nur auf Plakaten und in Reden auf Demonstrationen, vor allem in Online-Foren, Kommentarspalten oder in Whatsapp- oder telegram-Gruppen finden sich Formulierungen, Bilder und Narrative, die chiffriert oder direkt die antisemitische Weltanschauung immer wieder aufs Neue aufrufen und reproduzieren.

Insbesondere im Zusammenhang mit Gewalttaten und Terroranschlägen in Nordamerika, in Europa oder in anderen Weltregionen stößt man etwa in Bekennerschreiben oder -videos immer wieder auf die antisemitische Weltanschauung – die in diesen Fällen auch die Logik der Opferauswahl bestimmt. Radikalisierungsprozesse haben zuvor fast immer in digitalen Räumen stattgefunden. In die deutsche Gesellschaft ist Antisemitismus auf vielen, teils vielleicht zunächst unsichtbaren Ebenen eingeschrieben, schnell stößt man auf antisemitische Vorstellungen. Dieses „kulturelle Erbe“ wird auch und gerade in zeitgenössischen digitalen Räumen und in der populären Jugendkultur, etwa dem Deutschrap, teils bewusst und teils unbewusst weitergetragen.

Bei Diskussionen um Antisemitismus in Deutschland wird jedoch teilweise nicht klarer was gemeint ist und wie dieser zu greifen sei, geschweige denn wie ein adäquater Umgang aussehen müsste. Der Vortrag will die antisemitische Weltanschauung und einige ihrer aktuellen Formen skizieren und sich in der Diskussion auf Herausforderungen im Kampf gegen diese konzentrieren.

 

Mittwoch  I  19. Juni 2024  I  18.30 – 20.15 Uhr

Kampf der Perspektiven, Kampf der Filterblasen?

Israel, Palästina und der „Nahostkonflikt“ als Herausforderung in Bildung und Pädagogik

Politische und demokratische Bildung gilt als wichtige Aufgabe für Schule und Jugendarbeit. Wird Tagespolitik verhandelt, bringt das zugleich große Herausforderungen mit sich. Welche Themen sind für junge Menschen gerade wichtig? Wie kann ein Thema „spontan“ in Unterrichts- oder Angebotsstruktur integriert werden?  Vor allem aber: Was, wenn Kanäle und Diskurse, über die junge Menschen Nachrichten konsumieren und sich diese erklären und einordnen lassen, unbekannt sind, oder ihre Sprache und Bezüge „insider“-Wissen voraussetzen, das man nicht hat?

Noch problematischer wird die Aufgabe, wenn es um in der Gesellschaft, in Medien, Politik und auch unter den Fachkräften hochumstrittene, emotional aufgeladene Themen geht, zu denen sich bereits analoge wie digitale Perspektiv- und Meinungsgemeinschaften, Filterblasen gebildet haben. Beispiele dafür sind „Klima“, „Migration“ oder – gerade besonders aktuell – der sogenannte Nahostkonflikt. Dass Deutschland eine zunehmend heterogene Migrationsgesellschaft ist, und viele Menschen nun neue oder andere Perspektiven, historische und politische Wissensbestände und Narrative mit- und einbringen, sorgt teils für zusätzliche Irritationen, Missverständnisse oder Spannungen. Unterschiedliche Perspektiven aus unterschiedlichen Erfahrungs- und Lebenswelten können zu Konflikten führen aber ebenso Unterricht und thematische Auseinandersetzung bereichern.

Auch Ereignisse mit weltweiter Resonanz wie Gewalt und Krieg in Israel und Palästina tangieren unmittelbar das Zusammenleben in unserer Gesellschaft und werden begleitet von der Frage, wie wir miteinander umgehen und streiten wollen. Sie sind Aufgabe für die Bildungsarbeit. Extremistische Deutungsangebote, antisemitische und rassistische Diskurse vermengen sich in den letzten Monaten mit realen Nachrichten und brutalen Bildern, denen jungen Menschen unmittelbar über instagram, tiktok und andere Kanäle ausgesetzt sind. Vor dem Hintergrund dieser vielfältigen und komplexen Anforderungen, von Unsicherheit bei Lehrkräften und Sozialpädagogen und von gestiegenem Konfliktpotential in Schulen zeigen wir am Beispiel des Nahostkonflikts zunächst palästinensische und israelische Perspektiven, fokussieren dann auf Weltanschauungswelten radikalisierender Filterblasen um nicht zuletzt die Möglichkeiten einer produktiven Thematisierung zu diskutieren.

 

Mittwoch  I  18. September 2024  I  18.30 – 20.15 Uhr

Eine Denkstruktur als gesellschaftliche Herausforderung

Verschwörungserzählungen in unserer Mitte als Brückennarrative im Kontext extremistischer Radikalisierung

 

Verschwörungserzählungen sind gerade im Zuge der Corona-Pandemie verstärkt ins öffentliche Bewusstsein getreten. Auch nach Ende der Pandemie bleiben diese Narrative über Lügen, Ränke und das abgekartete Spiel weniger Mächtiger, die einerseits für Krankheiten, Kriege und soziale Not verantwortlich, aber andererseits unbesiegbar und nicht zu stoppen sind, wirkmächtig. Wir stoßen auf sie auch jenseits extremistischer politischer Milieus, in der gesellschaftlichen Mitte. Dabei sind es nicht unbedingt zuerst die spezifischen einzelnen Erzählungen und Narrative, die problematisch sind, sondern vielmehr die dahinterstehenden Denkstruktur und Weltanschauung.

Diese reduziert komplexe Verhältnisse, real existierende Korruption oder auch real existierende politische Verschwörungen auf eine Grunderzählung, wonach an allen Enden der Welt die gleichen, wenigen „Eliten“ Verantwortung für alle Übel tragen, die letztlich Teil einer großen, immergleichen und überall wirkenden Verschwörung sind. Geschichtsdeterministisch sind sie noch für jedes historische Ereignis, jede Revolution und jeden Terroranschlag verantwortlich, für jede Krankheitswelle oder für Migrationsbewegungen. Die Menschen haben eigentlich keine Handlungs- und Gestaltungsmacht und müssen die Auswirkungen dieser Verschwörung schlicht ausbaden. Diese Denkstruktur und Weltanschauung stellt den Sinn eigenen Handelns in Frage, demotiviert und forciert den Rückzug des Einzelnen aus der demokratischen Gesellschaft – in jedem Journalisten oder Demonstranten, der nicht der eigenen Gruppe zuzurechnen ist, vermutet man schließlich einen bezahlten Agenten. So erscheint am Ende eines Radikalisierungsprozesses der nur noch destruktive Angriff auf vermeintliche Repräsentanten der „Eliten“ oder der Verschwörergruppe als einzig möglicher Notwehrakt.

Struktur, Funktion und Auswirkungen von Verschwörungsnarrativen werden in dieser Fortbildung an unterschiedlichen Beispielen nachgegangen, wie der Frage, inwiefern diesen Erzählungen und ihrer Wirkung begegnet werden kann. 

 

Mittwoch  I  16. Oktober 2024  I  18.30 – 20.15 Uhr

Drogen, Gewalt und Terrorismus

Über soziologische und kriminologische Zusammenhänge zwischen Drogenkriminalität und dem Agieren extremistischer Gruppen

 

Mittwoch  I  20. November 2024  I  18.30 – 20.15 Uhr

code of the streets – Gewalt als Jugendkultur

Über Ursachen, Formen und Logiken von Jugendkriminalität und Jugendgewalt in Zeiten zunehmender sozialer und ethnischer Segregation

 

Mittwoch  I  18. Dezember 2024  I  18.30 – 20.15 Uhr

Virtueller soziologisch-kriminologischer Stadtrundgang

Auf den Spuren von Jugendkriminalität, extremistischer Radikalisierung und Verschwörungserzählungen – ein kommentierter virtueller Spaziergang durch die Stadt Halle

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